Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail better.

Manchmal knallt dir das Leben so richtig einen vor den Latz. Und manchmal bist du der Latz und knallst vor das Leben.

Vor zwei Wochen habe ich den ersten Sturz meiner Läuferkarriere hingelegt – es gibt eben für alles eine Premiere. Ich bin aber nicht einfach nur gefallen. Ich bin mit der Wucht eines Kometen in die Erde eingeschlagen. Und zur Krönung nur ungefähr zweieinhalb Meter neben den Bauarbeitern, die dort seit Monaten ein Haus aus der Erde ziehen, die ich Sekunden vorher noch gegrüßt hatte und die nun Augenzeugen meiner unfreiwilligen Flugshow wurden.

Glücklicherweise ist mir nicht allzu viel passiert, die schlimmste Verletzung hat sicherlich mein Stolz erlitten. Zwar hatte ich von oben bis unten Schürfwunden, aber fast alle eher oberflächlich, auch wenn ich einige Tage ziemlich zerschunden aus der Wäsche geschaut habe: mit der coronabedingten Maskenpflicht war ich recht zufrieden. Das Knie hat ordentlich was abbekommen, dort fand schließlich auch der Erstkontakt mit dem Beton statt.

Ein paar nützliche Erkenntnisse konnte ich aus dieser Erfahrung mitnehmen:

  • Erstens. Laufen ist eine Hochrisikosportart.
  • Zweitens. Haxen hoch. Wichtig!
  • Drittens. Ich muss festellen, dass ich nicht so gut bin im Hilfe annehmen, wie ich dachte. Mein Irrtum lag darin begründet, dass ich ziemlich gut Hilfe annehmen kann, um die ich vorher gebeten habe. Das ist dann nämlich schlicht Teil meiner Problemlösestrategie: ich habe z.B. nicht die nötigen Kenntnisse, um mein Auto selbst zu reparieren. Also suche ich mir jemanden, der über eben diese nötigen Kenntnisse verfügt und bitte den und wenn der das macht, dann läuft die Karre wieder und das Problem ist gelöst.
    Etwas völlig anderes ist es für mich, wenn ich unversehens in eine Notlage gerate, jemand anderes diese erkennt und mir Hilfe anbietet. Hier waren es besagte Bauarbeiter und natürlich weiß ich das sehr zu schätzen und es tröstet meine vagen Ansätze von Misanthropie, aber meine unmittelbare Reaktion war Panik und Flucht. Bloß weg hier. Ich biss also, unter Schock und den Tränen nahe, meine Zähne zusammen, lachte, machte einen Witz und verabschiedete mich laufend. Es waren nur noch wenige hundert Meter bis nach Hause, aber die fühlten sich an wie ein Spießrutenlauf: hoffentlich sieht mich keiner, hoffentlich merkt das niemand, hoffentlich werde ich nicht erwischt.
  • Viertens. Zwar bezeichne ich mich inzwischen scheinbar selbstbewusst als Läufer, aber ich tue das immer mit einem gewissen Unwohlsein. Denn ich “bin” kein “Läufer”. Ich laufe. Seit geraumer Zeit ziemlich regelmäßig. Es ist mir zur Gewohnheit geworden, aber es ist nicht Teil meiner Persönlichkeit, es passiert nicht wie von selbst. Obwohl ich gerne laufe und obwohl ich die positiven Effekte deutlich wahrnehme, ist das “Dranbleiben” für mich noch immer ein Thema und es erfordert noch immer Disziplin.
    Die ersten paar Tage nach dem Sturz war ich noch hibbelig, denn ich wollte das Training ungern unterbrechen und dachte jeden Abend: mal sehen, vielleicht kann ich ja morgen wieder auf die Piste. (Konnte ich nicht, es hat echt scheißweh getan, ich bin kein Indianer, ich kenne Schmerz.)
    Es dauerte jedoch nicht lange, da war es mir wieder zur Gewohnheit geworden, NICHT zu laufen. Das hat schon auch was. Sich nicht anzustrengen ist letztlich nicht vollkommen unangenehm.

Vorgestern hätte ich zum ersten Mal wieder losgekonnt. Aber da musste ich arbeiten und man muss es ja nicht gleich übertreiben. Gestern war es zu warm. Heute war es zu kalt. Schwupps bin ich drin in dieser elendigen “Morgen-ist-bestimmt-ein-viel-besserer-Tag”-Prokrastinations-Schleife. Da nicht hängenzubleiben, ist eine Aufgabe – die ich für heute immerhin bewältigen konnte. Der Spaßfaktor war allerdings gering, denn es war mir wirklich zu kalt. Außerdem muss ich das Vertrauen in mich und meinen Körper erst wieder neu aufbauen, ich war heute noch zu vorsichtig und verkopft. Und zu guter Letzt ist der erste Lauf nach einer Pause sowieso immer ätzend.

Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuche es noch mal. Scheitere besser. (Samuel Beckett)