Ich habe Depressionen. Das erkennst du ganz leicht daran, dass ich zumeist auf dem Boden sitze, an die Wand gelehnt, manchmal den überlangen Strickpulli über meine angewinkelten Knie gezerrt und immer den Kopf in verzweifelt-trauriger Pose in die Hände gebettet.
Zumindest wird einem dieses Bild erstaunlich oft vermittelt. Komisch. In Wirklichkeit kenne ich niemanden unter meinen Leidensgenossen, der das so macht. Ich besitze jedenfalls adäquate Möbel und nutze diese wie jeder andere normale Mensch, und überhaupt mache ich vieles genauso wie normale Menschen oder besser gesagt: normale Menschen benehmen sich ganz schön verrückt. Also wie ich.
Nun ist eine Depression in der heutigen Zeit ja nun wirklich nichts Besonderes mehr, und damit mir nicht langweilig wird, habe ich außerdem noch eine Angststörung, namentlich eine “generalisierte”. Das bedeutet, dass sich meine Angst nicht so hübsch übersichtlich auf nur eine bestimmte Sache bezieht, sondern praktisch immer auftritt. Also eben generell.
Vieles an Behandlungen habe ich bereits hinter mir, das meiste war spannend, manches hilfreich, einiges nicht. Alles war wichtig. Und in einen sinnvollen Zusammenhang bringen konnte ich das Gelernte ausgerechnet durch die billigste Therapie aller Zeiten: den Laufsport. Ich mäandere also im Kreis schnaufend durch diese irre Welt und mache mir einen Gedanken nach dem anderen. Bzw. meist mehrere durcheinander. Damit sich den ganzen Sermon niemand ungefragt anhören muss… naja, darum halt dieser Blog.
Ach tut das gut, mal jemanden zu finden, der ungefähr genauso bekloppt ist wie ich!
Ich kenne Läufer, tatsächlich sogar Marathonläufer, aber die sind nicht depressiv – klar, mit ’ner Depression läuft man keine 42 km. Und die sind irgendwie auch nicht so ganz auf meiner Wellenlänge, denn wer halbwegs bei Verstand ist, der nimmt bei der Entfernung eher den Bus.
Ich kenne Leute mit Angst, aber die laufen nicht. Ich kenne Leute mit Depression, aber die laufen auch nicht und die haben auch nicht so komische Ängste wie ich.
Du ahnst es schon: Auch ich werde gebeutelt von Depression und Angst, glücklicherweise aber nicht durchgehend, und auch ich habe in einer guten Phase das Laufen entdeckt. Für mich völlig überraschend nach einem Leben komplett ohne Sport, denn ich habe Bewegung zum reinen Selbstzweck immer für eine höchst fragwürdige Angelegenheit gehalten.
Bis ich festgestellt habe, dass die Schinderei neben dem reinen Selbstzweck des im Kreis Laufens tatsächlich auch den einen oder anderen positiven Nebeneffekt hat. Sogar für mich.
Seitdem versuche ich dranzubleiben, klappt auch ganz gut.
Naja, Diskussionen mit dem Schweinehund… Kennt wohl jeder.
Mir gefällt, wie du schreibst, ich freue mich schon auf deine anderen Texte!
Hallo Sonne,
Laufen, Joggen, Walken – das sind aus meiner Sicht großartige sportliche Hobbys. Du läufst deine Distanz in deiner Geschwindigkeit. Was andere tun und wie sie es tun oder wie oft, spielt dabei keine Rolle. Anders als bei Mannschaftssportarten gestaltest du beim Laufen deine Regeln allein. Du musst dich nach niemandem richten, außer dir selbst. Und wenn du zufrieden und sogar glücklich bist damit, dann machst du alles richtig. Genau darum geht es bei der Freizeitgestaltung.
Ich habe selbst auch keine Ambitionen, einen vollen Marathon zu laufen. Das liegt aber allein daran, dass die Vorbereitung dafür sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde und ich dazu nicht bereit bin. Ich könnte bestimmt, wenn ich wollte – aber ich will nicht.
“Mit einer Depression läuft man keine 42 Kilometer” ist ein Glaubenssatz, der falsch ist. Diese Grenze existiert nur im Kopf. Niemand muss einen Marathon laufen. Niemand muss überhaupt laufen. Aber wenn es dein Traum wäre, dann dürftest du ihn dir auch gestatten. Denn es ist meine tiefe Überzeugung, dass dieses Ziel erreichbar ist – wenn du dich fragst “Wie könnte es gehen?”, statt dir zu sagen “Es kann nicht gehen”.
Und irgendwie sind wir doch alle ein bisschen bluna, gell?
Stimmt, ich allein bestimme meine Regeln beim Laufen, und das ist gut so!
Und natürlich dürfte und würde ich mir meine Träume gestatten.
Allerdings unterliege ich doch den Beschränkungen meines Körpers – und auch meiner Seele.
Ich würde die 42km niemals schaffen, denn meine Knie meckern schon bei kurzen Strecken, wenn ich zu oft laufe, daher würde ich nie die nötige Kondition erreichen. Muss ich ja auch nicht, ist nicht mein Traum.
Meine Seele kann mich aber genauso beschränken, denn je nach Graustufe ist es schon eine Herausforderung, aufzustehen und die Zähne zu putzen. Sportklamotten anziehen und laufen gehen erscheint dann ungefähr so machbar wie zum Mond zu fliegen. So meinte ich „mit einer Depression läuft man keine 42km“, denn währenddessen kommt man ja kaum vom Sofa hoch.
Und das liegt dann nicht daran, dass man sich seine Träume „nicht gestattet“ oder sie grundsätzlich für unmöglich hält – das Unvermögen ist einfach der Schwerkraft der Depression geschuldet.
Ich habe über ifightdepression im Forum deinen Blog entdeckt. Auch ich habe Depressionen (phasenweise) und vor doch schon 9 Jahren das Laufen als „Therapie“ für mich entdeckt. Natürlich läuft das auch nicht immer so wie ich mir das wünschen würde… Ich habe jetzt 4 Monate in einer Phase gesteckt und wenn ich es geschafft habe duschen zu gehen, habe ich mich dafür gefeiert (es sind ja die kleinen Dinge). Gestern habe ich wieder angefangen mit dem Laufen und es erstaunt mich nach all den Jahren immer wieder aufs Neue, wie sehr es mir doch gut tut. Was man in den speziellen Phasen leider nicht auf dem Schirm hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Toll, dass du das machst. Weiter so! Alles Gute und bleib gesund, LG Steph
Hallo Steph,
während einer akuten depressiven Episode brauchst deine Kraft woanders, da hat Sport wirklich keine Priorität. Umso schöner, dass du es jetzt wieder auf die Piste schaffst und auch gleich spüren konntest, wie es sich positiv auf dich auswirkt.
Wenn ich dazu beitragen kann, diesen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren, ist meine Mission erfüllt. Danke!
Schöööööön gemacht.
Viel Erfolg wünsche ich dir.
LG