Es läuft, las ich letztens auf einer Postkarte, rückwärts und bergab, aber es läuft. Klingt passend. Tagelang habe ich mein Lauftraining nun schon in den Wind geschossen (genauer gesagt in das Sturmtief Sabine). Zwar bin ich kein reiner Schönwetterläufer, ein bisschen Regen und eine s-teife Brise halten mich nicht ab (ja, schon gut, selten, *augenroll*), aber bei Sturmstärke 12 mit Regenhagelgraupel nebst fliegenden Mülltonnen, Trampolinen und diversem Gartengerät kann ich mich gerade noch beherrschen.
Heute gab es keine Ausreden mehr, 1 Grad plus, kein Regen, kaum Wind und ich fühlte mich gut. Aber es lief nicht rund, ich kam nicht in Fahrt, es war zu anstrengend, ich hatte schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr. Die Geschwindigkeit würde ich keinesfalls noch weitere neun Kilometer halten können, also bremste ich runter. Wie im Leben: manchmal, wenn es zu schnell geht, muss man eben langsamer machen.
Das brachte Entlastung, kurzfristig hatte ich die Hoffnung, irgendeine Art Trainingsziel doch noch erreichen zu können. Doch nur wenig später brach ich ab mit der Einsicht, dass es heute einfach keinen Zweck hat.
So eine Entscheidung ist nicht leicht zu verkraften, denn es fühlt sich unangenehm nach Versagen an. Ich weiß, dass es mit meiner mentalen Stärke nicht so weit her ist: ich denke schon ans Aufgeben, bevor eine Notwendigkeit dazu besteht. Oder ich fange gar nicht erst an – denn ich kann das ja wahrscheinlich eh nicht. Und dann erfahre ich gar nicht, ob ich das tatsächlich nicht kann oder nur denke, dass ich das nicht kann und in Wirklichkeit könnte ich vielleicht schon, wenn ich nur nicht so viel Energie dafür verschwenden würde zu denken, dass ich das eh nicht kann. Statt es ganz einfach zu probieren.
Ich habe daher eine klare Strategie, wenn sich unterwegs Zweifel einschleichen: ich frage mich, kann ich jetzt nicht mehr? Es interessiert nicht, ob ich in einer Viertelstunde noch kann, aber muss ich wirklich jetzt aufhören? Manchmal lautet die Antwort: naja, bis zur Ecke dahinten könnte ich schon noch. Und dann laufe ich weiter, bis zur besagten Ecke und dort frage ich mich erneut: kann ich jetzt nicht mehr oder wäre bis zur Straßenlaterne auch noch drin? Oder ich schaue auf mein schlaues Ührchen, horche in mich hinein und überlege, ob ich die x km wohl noch vollmachen könnte.
Heute konnte ich es nicht. Ich war fix und alle und zwar nicht erst bei der Ecke oder der Straßenlaterne, sondern genau jetzt.
Tja. Mein Ziel habe ich mit Pauken und Trompeten verfehlt. Ich bin gescheitert, aber immerhin habe ich es versucht. Und wie fühlt sich das nun an?
Beschissen.
Ich zweifle an meinem Vorhaben, im Sommer einen Halbmarathon zu laufen. Ich kann das doch eh nicht. Ich bin einfach nicht gut genug. Nicht diszipliniert genug. Ich werde versagen. Ich sollte das generell sein lassen mit dem Laufen, ich glaube, das ist nichts für mich – andere können das besser. Sollen die doch.
Gleichzeitig weiß ich, dass das Laufen eben doch was für mich ist und ich es nicht sein lassen werde. Der Psychologe Marshall Rosenberg sagt, dass alles, was es wert ist getan zu werden, auch wert ist, unvollkommen getan zu werden. Eine kurze Distanz langsam zu laufen ist viel mehr wert, als eine längere Distanz zwar schnell, aber dafür leider überhaupt nicht zu laufen.
Was mit dem Halbmarathon ist, weiß ich nicht, bis dahin sind es noch vier Monate und es kann noch so viel passieren. Wenn es nicht klappt… naja, dann eben nicht. Es steht zu vermuten, dass die Welt davon nicht untergehen wird.
Dieser eine verkackte Lauf von heute wird jedenfalls keinerlei Einfluss auf diesen einen Tag im Sommer haben. Wirklich gar keinen.
Mich hin und wieder mit einem gelungenen Wettkampf für die ganze Schinderei zu belohnen, ist ohnehin nur ein feines Leckerli, denn mein Hauptaugenmerk liegt auf meiner Gesundheit. Gut, mein Ego ist angeknackst und für mein läuferisches Selbstvertrauen wäre es hübsch gewesen, heute eine tolle Zeit einzufahren. Warum das nicht geklappt hat, weiß ich nicht. “Ich bin doch keine Maschine”, heult Tim Bendzko aus dem Radio. Manchmal macht mein Körper Dinge, ohne mich darüber in Kenntnis zu setzen. Ich kann vieles kontrollieren (üben hilft!) und analysieren, aber nicht alles. Passt mir nicht, muss ich aber so hinnehmen. Auch Scheitern will gelernt sein. In Wirklichkeit ist das sogar schwieriger als erfolgreich zu sein, denn das kann jeder. Aber stolpern, auf die Fresse fallen, sich dann den Schnodder aus dem Gesicht wischen und von vorne anfangen – das ist eine echte Kunst.
In diesem Sinne: erstmal Taschentücher suchen. Die Trostschokolade
habe ich bereits mit Trostkaffee runtergespült.
Liebe Merle,
du schaffst doch normalerweise alle Strecken, die du dir vorgenommen hast. Da hattest eben wirklich ungünstige Bedingungen. War sicherlich genug los im privaten Bereich…
Ich hoffe, die Trostschokolade hat geholfen.
Es ist ein schöner Blog geworden, gratuliere dir sehr herzlich.
LG Carin